Wenn das Gerät den finalen Stromschlag abgibt, bin ich schon bewusstlos

Nina Martin weiss spätestens seit ihrer Diagnose Herzrhythmusstörungen, dass ihr Leben jederzeit vorbei sein könnte. Sie findet das jedoch positiv.

Interview über plötzlichen Tod

Zuerst Fussballer Christian Eriksen, der aus heiterem Himmel zusammengebrochen ist, dann der Mann, der letzte Woche auf dem Weg zur Arbeit im Tram gestorben und sechs Stunden durch Zürich gefahren ist, ohne dass jemand seinen Tod bemerkt hätte. Was geht bei solchen Ereignissen in Ihnen vor?

Ich war wie wohl die meisten erst mal schockiert. Ich kann mich aber auch sehr gut hineinfühlen, weil ich am eigenen Leib erlebt habe, wie es ist, wenn einen der Körper plötzlich im Stich lässt. Aber ich bin froh, dass mir schon so früh bewusst geworden ist, dass das Leben endlich ist.

Aber wir wissen das doch alle. Warum sind wir immer so erstaunt?

Gute Frage. Ich war selber überrascht, wie überrascht ich war. Wenn so etwas geschieht wie bei Eriksen, dann nicken alle wissend und sagen vielleicht noch so etwas wie «Das Leben ist kurz» und gucken betroffen und wechseln dann das Thema. Richtig begreifen tun es die wenigsten.

Soll man seine Endlichkeit denn ständig im Kopf haben?

Ja. Ich sehe super viel Positives drin. Weil man sich immer wieder Gedanken macht, ob man mit seinem Leben zufrieden ist. Ich frage mich nur, wie man es schaffen kann, seine eigene Endlichkeit im Kopf zu behalten.

Können Sie das?

Ja, ich habe allerdings einen unfairen Vorteil, weil ich einen Defibrillator in mir habe. Wenn mein Herz zwischendurch aus dem Rhythmus kommt, fühlt es sich an, als würde jemand mein Herz anschnipsen. Das passiert in allen möglichen Situationen. Beim Einkaufen, im Homeoffice, im Wartezimmer. Ich hab sozusagen ein eingebautes Memento mori.

Aber ständig den Tod vor Augen zu haben, ist doch deprimierend.

Ja, es ist ja auch ein ziemlich erschreckendes Thema. Aber nach meiner Diagnose habe ich realisiert, dass der Tod nicht nur aus Sterben, Leiden oder Trauer besteht, sondern auch ganz viel mit Leben zu tun hat. Ich habe mich entschieden, mich mit diesem positiven Aspekt zu beschäftigen. Ich will versuchen herauszufinden, was ein sterbenswertes Leben ist.

Sie sind seit Ihrer Jugend rund 25-mal in Ohnmacht gefallen und beinahe gestorben.

Ja, allerdings meinte man viele Jahre, das seien epileptische Anfälle. Die Diagnose Herzrhythmusstörungen erhielt ich erst Mitte 20. Seither hat mich mein Defibrillator schon einige Male zurückgeholt. Ich kann also ganz konkret sagen, an welchen Tagen ich statistisch gesehen hätte sterben können.

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Quelle: SonntagsZeitung, Publiziert: 03.07.2021, Denise Jeitziner, Foto: Jana Grasselt

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